Im zweiten Anlauf: Stadtbürgerschafts-Beschluss zu Giftmüll-Petition

Der städtische Petitionsausschuss und die Stadtbürgerschaft haben die Petition S 18/143 vom 9. Januar 2013 zu Giftmüll und dem generellen Umgang mit störendem Gewerbe in Bremen nach fast vier Jahren am 13. Dezember 2016 abschließend behandelt, wie die Ausschussvorsitzende Insa Peters-Rehwinkel mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 im zweiten Anlauf dem Petenten Jens Dennhardt mitgeteilt hat. Die Petition ist in der Stadtbürgerschaft sogar debattiert worden. Zuvor war Dennhardt von Peters-Rehwinkel aufgrund eines „Büroversehens“ schon einmal mitgeteilt worden, dass die Stadtbürgerschaft ihren Beschluss zu der Petition bereits am 8. November 2016 gefasst hätte.

„Der Petitionsausschuss hat erst aus der Presse erfahren, dass die Genehmigung zwischenzeitlich erteilt wurde. Dieses Verhalten des Ressorts ist nach Auffassung des Ausschusses nicht hinnehmbar und entspricht auch nicht der verfassungsrechtlichen Stellung des Petitionsausschusses, dessen Aufgabe die Kontrolle der Verwaltung aufgrund von Bürgerbeschwerden ist.“ So heißt es im aktuellen Beschluss der Stadtbürgerschaft zu Petition S 18/143. Weiter heißt es darin: „Aufgrund der bereits erteilten Genehmigung sieht der Ausschuss keine Möglichkeit, dem Anliegen der Petenten zu entsprechen.“ Entsprechend informierte die Petitionsausschuss-Vorsitzende Insa Peters-Rehwinkel den Petenten Jens Dennhardt auch im zweiten Anlauf in ihrem Brief. „Die Stadtbürgerschaft hat dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr mit ihrem Beschluss eine Ohrfeige verpasst“, sagt Dennhardt. Das Ressort von Senator Joachim Lohse hatte dem Ausschuss ebenso wie den Petenten, dem Beirat und der Initiative „Bürger gegen Giftmüll“ und ihrem Rechtsanwalt Dr. Reich den Termin der Genehmigung des Giftmüll-Betriebes drei Monate lang verheimlicht.

Trotz der klaren Worte von Ausschuss und Parlament gegenüber dem Senator vermisst Petent Dennhardt jedoch Gestaltungswillen bei der Bürgerschaft. Es reiche nicht aus, wegen der Heimlichtuerei bei der Antragsgenehmigung auf Senator Lohse zu schimpfen. Wichtig sei jetzt, dass Senat und Bürgerschaft bewiesen, dass es in der Demokratie möglich sei, den Lauf der Dinge zu verändern. Wenn sich die Mehrheit einig sei, dass Betriebe von denen Belastungen und Risiken für die Bevölkerung ausgingen größere Abstände zur Wohnbebauung haben sollten, müssten jetzt auch Stück für Stück die bestehenden Bebauungspläne in ganz Bremen entsprechend geändert werden.

Die Geschichte der Petition ist mit einem Auf und Ab verbunden. Erst durch den massiven Protest des Stadtteils konnte in Verbindung mit der Vorgängerpetition S 18/82 aus dem Frühjahr 2012 und der Unterstützung von SPD und Grünen in der Deputation verhindert werden, dass der Giftmüll-Betrieb in 30 Metern Entfernung zum nächsten Wohnhaus an der Funkschneise errichtet wurde. Inzwischen gilt dort ein veränderter Bebauungsplan, der größere Abstände solcher Betriebe zur Wohnbebauung vorschreibt.
Doch bereits kurze Zeit später drehten das Unternehmen und das Lohse-Ressort das Giftmüll-Vorhaben einmal um den Ortsteil Hemelingen. Es sollte nun in rund 200 Metern Entfernung zur Wohnbebauung in der Hermann-Funk-Straße am Hemelinger Hafen errichtet werden. Auch hier ist die Firma Hirsch Eigentümerin des Grundstückes. Der Hemelinger Hafen fällt in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Bränden auf.

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(Fotos zu diesem Beitrag: Jens Dennhardt)

Bereits am 9. Januar 2013 reichte Dennhardt dann mit Unterstützung von neun Erstunterzeichnenden die Petition S 18/143 gegen den Giftmüll-Betrieb der Firma ProEntsorga am Hemelinger Hafen ein. Die Petition wurde schon online von 1.047 Mitzeichnenden unterstützt. Hinzu kam eine Vielzahl von Unterstützungs-Unterschriften auf Papier und parteiübergreifende breite Unterstützung in Stadtteil und Beirat Hemelingen. Die Petition forderte insgesamt für Bremen Beschränkungen in den Bebauungsplänen zur Reduzierung der Konflikte zwischen gefährdendem und störendem Gewerbe und der angrenzenden Wohnbebauung. Sie forderte im Einzelnen darüber hinaus neben der Ablehnung des Antrages auf Nutzungsänderung an der Hermann-Funk-Straße eine Veränderungssperre und eine Änderung des betreffenden Bebauungsplans am Hemelinger Hafen.

Nach der Explosionskatastrophe bei Organo Fluid in Ritterhude im September 2014 und vor der Bürgerschaftswahl im Mai 2015 zeigten die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der damals in der Bürgerschaft vertretenen Parteien Böhrnsen, Linnert, Motschmann und Vogt großes Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung und das Thema fand sogar Einfluss in den Flächennutzungsplan.

„Ja. Wir wollen, dass das sogenannte „störende Gewerbe“, von dem Lärm, Luftschadstoffe und ein erhöhtes Brandrisiko für die Anwohner ausgehen, soweit wie möglich von der nächsten Wohnbebauung angesiedelt wird. 200 Meter bis zur nächsten Wohnbebauung wie in Hemelingen halten wir für zu gering. In Bremen gibt es besser geeignete Industrieflächen, die viel weiter von den nächsten Wohngebieten entfernt liegen, wie bspw. die Stahlwerke. Dort soll sich ProEntsorga ansiedeln.“ So lautete z. B. die Antwort von Bürgermeisterin Karoline Linnert an die Initiative „Bürger gegen Giftmüll“.

„Bremen als fünftgrößte Industriestadt der Bundesrepublik ist zwar auch auf die Ansiedlung von Betrieben der Recyclingbranche angewiesen, wir haben jedoch im Zuge der Aufstellung des neuen Flächennutzungsplans, der am 28.2.2015 mit seiner Veröffentlichung in Kraft getreten ist, ausreichend Flächen für solche Nutzungen ausgewiesen, die weit von der Wohnbebauung entfernt sind. Neue Ansiedlungen werden nur noch in solchen Gebieten wie z. B. dem Bremer Industriepark zugelassen.“ So lautete die Antwort des damaligen Bürgermeisters und Präsidenten des Senats Jens Böhrnsen an die Initiative.

Senator Lohse setzte in Abstimmung mit den Firmen ProEntsorga und Hirsch den Antrag auf Genehmigung des Abfallzwischenlagers am Hemelinger Hafen aus. Doch Senator Lohse scheiterte bei seinen Verhandlungen mit den Firmen ProEntsorga und Hirsch und erklärte im November 2015 den Standort am Hemelinger Hafen anschließend auch aus ökologischer Sicht zum besten Standort. Die vom Senator höchstpersönlich angekündigte Genehmigung des Betriebes bis zum Jahresende 2015 erfolgte dann nicht. Dafür verschwieg er dann die Genehmigung vom 7. März 2016 – bis zur Petitionsausschuss-Sitzung am 3. Juni 2016.

Nähere Informationen gibt es auch von der Initiative unter www.bürger-gegen-giftmüll.de